Erfahrungsbericht eines Harnröhrenstriktur-Patienten
Vor einigen Tagen erreichte uns eine Email mit einem bewegenden Erfahrungsbericht. Der Absender Herr Neumann[1] hat uns seine freundliche Erlaubnis erteilt, diesen zu veröffentlichen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
zufällig bin ich über Ihren Artikel zur Harnröhrenstriktur gestolpert und würde gern Ihrer Aufforderung nachkommen und von meinen Erfahrungen berichten. Meine „Erlebnisse“ fallen definitiv in die Kategorie „eindeutige Erfahrungen“ und ich hoffe, dass ich Ihnen damit weiterhelfen kann.
Ein harmloser Eingriff
Meine Geschichte fing an, als ich mich 2004 auf Anraten meines Orthopäden am Sprunggelenk operieren ließ. Es war ein kleiner Eingriff, der nicht länger als 15 Minuten dauerte und doch wurde mir bei dieser Gelegenheit ein Harnblasenkatheter gelegt. Im Nachhinein war die Katheterisierung laut übereinstimmender Expertenmeinungen vollkommen unnötig gewesen. So blieb ich mit dem Katheter etwa fünf Tage in der Klinik, woraufhin dieser entfernt wurde und ich das Krankenhaus verlassen konnte. Bereits während des Aufenthalts machte man mich darauf aufmerksam, dass der Urin im Beutel mit Blut gemischt sei. Die Krankenschwester, die den Verband an der Austrittsstelle des Katheters wechselte schüttelte – wohl angesichts des blutdurchtränkten Verbandes – den Kopf. Ich stellte damals keine Fragen, da ich davon ausging, dass eine Verletzung beim Legen des Katheters normal sei und dann eben solche Symptome auftreten.
Diagnose Harnröhrenstriktur
Nach der Entlassung traten immer häufiger stark ziehende und brennende Schmerzen im vorderen Penisbereich auf und der Harnstrahl war dünn, schwach und in alle Richtungen gespalten, anstatt gleichmäßig und voll. Anfangs kam ich überhaupt nicht auf die Idee, dass diese Symptome mit dem Katheter zusammenhängen könnten. Ich wartete zunächst einmal ab, bis es mir nach einem Dreivierteljahr schließlich zu viel wurde und ich einen Urologen aufsuchte. Dieser machte sofort die Prostata dafür verantwortlich, obwohl mein Hausarzt kurz zuvor explizit keine Probleme festgestellt hatte. Auf einen freundschaftlichen Rat hin suchte ich schließlich eine Klinik auf, in der endlich eine starke Verengung der Harnröhre festgestellt werden konnte. Nach dieser Diagnose wurde ich das erste Mal geschlitzt. Als man mich fragte, ob mir in der letzten Zeit ein Katheter gelegt worden ist, erinnerte ich mich an die Sprunggelenk-OP und an den Katheter, die mittlerweile eineinhalb Jahre zurücklag. Mein Arzt erklärte mir, dass die Harnröhrenstriktur nur vom Katheter herrühren konnte. Es war einleuchtend, denn die Schmerzen hatten definitiv mit der Entlassung aus der Klinik begonnen.
Jeder Behandlungsversuch zwecklos
Lange Rede, kurzer Sinn: in den folgenden Jahren wurde ich etwa fünfmal geschlitzt und die Verengung trat jedes Mal wieder neu auf. Dazwischen lag auch eine Operation, die sogenannte End-zu-End-Anastomose (2011). Dennoch wurde der Befund nicht besser, die Verengung blieb im hinteren Bereich meiner Harnröhre, was auf dem Röntgenbild gut sichtbar war. Mein Arzt sagte mir bei jeder Schlitzung, dass mein Körper mit einer ungewöhnlich aggressiven Wundheilung reagiert: es bilden sich jedes Mal wulstartige Vernarbungen, die wieder eine Harnröhrenverengung hervorrufen. Als letzte Maßnahmen wurde bei mir etwa 4-5 Mal eine Bougierung durchgeführt. Beim vorletzten Mal wagte ich, auf das „Licht am Ende des Tunnels“ zu hoffen, weil die Harnröhre länger offen blieb, doch nach 3 Monaten war alles wieder beim Alten. Unterstützend hatte ich damals angefangen, das Mittel Bromelain einzunehmen, weil es eine zu starke Anschwellung bei der Heilung verhindert.
Nichtsdestotrotz bin ich momentan wieder auf dem Status quo. Das bedeutet, dass ich mit einem relativ schwachen Harnstrahl mein „Toilettendasein“ friste. Glücklicherweise kann man mit diesem „leichten“ Gebrechen leben und die Entleerung der Blase ist im Großen und Ganzen gewährleistet. Trotzdem muss ich immer darauf achten, dass sich kein Urin bis in die Nieren staut, denn etwa viermal in diesen Jahren hatte ich einen sehr schmerzhaften Totalverschluss, bei dem ich jedes Mal ein Krankenhaus zur Behandlung aufsuchen musste. Am Ende riet mir mein Arzt zu einer weiteren Operation durch einen Spezialisten. Ich hoffe natürlich immer noch auf eine konventionelle Behandlungsmethode mit einer realistischen Chance auf Heilung.
Ein schwerwiegender Verdacht
Ganz am Rande möchte ich noch erwähnen, dass ich etwa im Jahr 2010 eine Klage wegen eines Kunstfehlers gegen die Klinik eingereicht habe, in der ich den verhängnisvollen (und dazu noch unnötigen) Katheter bekommen hatte. Bereits damals hatte ich Befürchtungen, dass sich höchstwahrscheinlich Folge- und Langzeitschäden wegen dieser „never ending story“ einstellen würden. Ich hatte neben einem Anwalt einen erfahrenen und kompetenten Sachverständigen eingeschaltet, der leider kurz vor Verfahrensbeginn verstorben ist. Zuvor hatte er mich gewarnt, dass diese Klinik in solchen Fällen das Legen des Katheters leugnen würde. Mein Anwalt war alles andere als fähig und dieser Sache nicht gewachsen.. Er teilte mir zwar bereits vor Beginn des Gerichtsverfahrens mit, dass die Klinik die Schwesternprotokolle erst mit auffallender Verspätung geschickt hatte. und in diesen die Katheterisierung nicht mit einem einzigen Wort erwähnt worden war. Aber erst während des Verfahrens wurde mir so richtig klar, was das für mich bedeutete.
Das Gericht orientierte sich an den ihm vorliegenden Unterlagen, obwohl zwei Zeugen meine Version der Geschichte bestätigen konnten. Aus der Dokumentation ging aber hervor, dass Herr Neumann jeden Tag auf die Toilette gegangen sei und sich dort seines „Wasserlassens“ erfreut habe. Ich fand und finde immer noch keine Worte, um diese ungeheuerliche und dreiste Lüge zu beschreiben. Hinzu kommt noch die offensichtliche Dokumentenfälschung, die – wie ich persönlich vermute – stattgefunden hat, nachdem die Unterlagen von meinem Anwalt angefordert wurden. Das Gericht glaubte der Gegenseite und ich musste sämtliche Kosten des Verfahrens in der Höhe um circa 10.000 € tragen.
Mein Bericht ist jetzt doch ausführlicher geworden als gedacht und ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Erfahrungen weiterhelfen konnte. Ich würde mich freuen, wenn ich von Ihnen eine Rückmeldung oder konkrete Ratschläge für die Lösung meines Problems erhalten könnte, denn ausgestanden ist meine Geschichte sicher noch nicht.
Vielen Dank noch einmal an Herrn Neumann für diesen ausführlichen und erschütternden Bericht. Wir wünschen ihm baldige Genesung und alles Gute für die Zukunft. Wenn auch Sie Ihre Geschichte erzählen möchten, kontaktieren Sie uns bitte über unser Kontaktformular.
[1] Name geändert