Das Krankheitsbild Harnröhrenstriktur
Kurzer Überblick
Das Urin, welches zuerst in der Blase gesammelt wird, wird durch die Harnröhre ausgeschieden. Ist diese allerdings verengt, kommt es zu Problemen bei der Entleerung. Dabei kann man zwischen zwei Arten der Harnröhrenverengung unterscheiden: zum einen kann die Harnröhre durch eine Vergrößerung oder durch Tumore der Prostata von außen praktisch abgeschnürt werden. Zum anderen kann sich innerhalb der Harnröhre Narbengewebe bilden, welches den Innendurchmesser der Harnröhre verkleinert. Bei Unfällen und Sportverletzungen, bei Eingriffen, welche die Harnröhre betreffen sowie durch Infektionen oder Fehlbildungen kann die Entstehung von Narbengewebe in Gang gesetzt werden. Staut sich nun der Harn infolge der Verengung auf, kann es zu wiederholten Harnwegsinfekten kommen. Bei einem ausgeprägten Rückstau bis in die Nieren kann es sogar zum permanenten Nierenschaden führen.
Ursachen
Die Vernarbung der Harnröhre wird durch Verletzungen oder kleinere Schädigungen der empfindlichen Harnröhrenschleimhaut ausgelöst. Dabei kann es durch Verletzungen im Bereich des Damms oder des Penis, durch Beckenbrüche, als auch durch Infektionen zu einer Schädigung der Harnröhre kommen. Darüber hinaus sind eine Reihe medizinischer Eingriffe identifiziert worden, bei denen das Risiko einer Schleimhautverletzung besteht.
Entstehung: von Verletzung zur Verengung
Kommt es zu einer Verletzung der Schleimhaut, dann verändert sich die Struktur des Gewebes. An dieser Stelle bildet sich Narbengewebe (Bindegewebe), welches das verletzte Gewebe (ganz oder zum Teil) ersetzt. Darüber hinaus kommt es zu einer Schrumpfung der Harnröhre in diesem Bereich. Abhängig vom Ausmaß der Verletzung kann die Harnröhre dadurch mehr oder weniger stark eingeengt werden.
Auslöser
Ein klassisches Beispiel sind Unfälle, wie zum Beispiel der Sturz auf die Fahrradstange oder Beckenbrüche, die unter Umständen sogar mit einem Harnröhrenabriss einhergehen können. Zu den medizinischen Eingriffen, welche als Auslöser identifiziert wurden, gehören vor allem Untersuchungen mit dem Endoskop und das Einführen eines Blasenkatheters. Ein Blasenkatheter zum Beispiel gehört bei längeren Operationen und der anschließenden Behandlung zur Routine. Bei einer längeren Liegedauer kann es passieren, dass der in der Harnröhre liegende Schlauch auf die empfindliche Schleimhaut drückt und die Durchblutung des Gewebes behindert. Manche Blasenkatheter enthalten Latex. In diesem Zusammenhang wird vermutet, dass Stoffe vom Katheter abgegeben werden, die das Gewebe schädigen. Daher wird in den letzten Jahren immer mehr dazu übergegangen auf den Blasenkatheter zu verzichten. Bei Bedarf greift man auf einen suprapubischen Katheter zurück. Dieser wird nicht durch die Harnröhre, sondern durch die Bauchdecke in die Blase gelegt und vermeidet dadurch das Risiko der Entstehung einer Harnröhrenstriktur. Infektionen sind ein weiterer möglicher Auslöser von Vernarbungen in der Harnröhre. Dazu gehört vor allem die Tripper-Infektion (Gonorrhoe). Glücklicherweise ist diese Erkrankung nicht mehr so häufig anzutreffen. Vergleichsweise selten sind auch Fehlbildungen des Urogenitaltraktes, wie zum Beispiel Hypospadie (Harnröhrenspalte).
Symptome
Anfangs bemerkt der Betroffene in der Regel, dass der Harnstrahl schwächer wird oder zusätzlich, je nach Lokalisation der Engstelle, verformt ist. Ganz typisch ist zum Beispiel ein geteilter oder gießkannenartiger Harnstrahl. Hat sich hinter der Verengung eine Erweiterung der Harnröhre gebildet, kann man auch das „Nachtröpfeln“ nach dem Wasserlassen beobachten. Wenn die Engstelle so ausgeprägt ist, dass eine vollständige Blasenentleerung nicht mehr möglich ist, kann es zu erheblichen gesundheitlichen Problemen kommen.
Schmerzen
Durch die Engstelle kann der Urin nicht ungehindert ablaufen. Infolge dessen staut er sich auf und bereitet durch den Druck Schmerzen am Penis oder am Damm. Kann sich die Blase nicht komplett entleeren, bleibt stets etwas Urin zurück, den man als Restharn bezeichnet. Restharn wird zum Problem, weil sich Bakterien darin ungehindert vermehren können. Das führt zu einer Blasenentzündung, die brennende Schmerzen beim Wasserlassen bereitet. Auch häufiger Harndrang und eine rötliche Verfärbung des Urins deuten auf eine Blasenentzündung hin. Doch der Rückstau kann sich auch bis in die oberen Harnwege (Harnleiter und Nieren) ausbreiten, wodurch es zu einer aufsteigenden Infektion kommt. Bei einer Nierenbeckenentzündung kommt es zusätzlich zu Fieber und Flankenschmerzen. Auch die Prostata und die Nebenhoden können sich infolge des Rückstaus schmerzhaft entzünden.
Spätfolgen und Komplikationen
Wenn die Abflussbehinderung sehr stark ausgeprägt ist, kann auch ein kompletter Harnverhalt auftreten. Dabei wird die Blase massiv überdehnt, so dass die Betroffenen über starke Bauchschmerzen klagen. Der Harnverhalt stellt einen akuten Notfall dar und muss unbedingt so schnell wie möglich behandelt werden. In der Regel wird dazu ein Katheter durch die Bauchdecke (suprapubischer Katheter) in die Blase gelegt und der Urin abgelassen. Bei einer chronischen Überdehnung der Blase kann die Blasenmuskulatur dauerhaft geschädigt werden, so dass in der schlaffen Blase immer wieder Restharn verbleibt und zu wiederholten Harnwegsinfekten führt. Ein unbehandelter Harnwegsinfekt kann aber im schlimmsten Fall zu einer lebensgefährlichen Urosepsis (Blutvergiftung) führen. Im Zusammenhang mit einem Harnwegsinfekt sollte daher immer auf Symptome wie hohes Fieber und Verwirrtheit geachtet werden. Beim Fortschreiten der Erkrankung versagen Atmung, Kreislauf und auch andere Organe (Multiorganversagen).
Diagnostik
Um festzustellen, ob es sich um eine Harnröhrenstriktur handelt, hat der Arzt verschiedene Methoden zur Auswahl. Grundsätzlich sollte zum Ausschluss von Harnwegsinfekten und einer Nierenschädigung auch der Urin und das Blut untersucht werden. Durch eine rechtzeitige Diagnose lassen sich Komplikationen und Spätfolgen vermeiden.
Druck-Fluss-Messung / Uroflow
Eine zentrale Methode zum Nachweis der Harnröhrenstriktur ist die Uroflow-Messung. Anhand des Ergebnisses (Kurvendiagramm) kann die Ursache für die Beschwerden, zum Beispiel eine Harnröhrenstriktur oder eine Prostatavergrößerung, ermittelt werden. Im Falle einer Harnröhrenstriktur zeigt sich ein ganz typischer Kurvenverlauf mit einem immer gleich schwachen Harnstrahl.
Ultraschall
Bei einer Ultraschall-Untersuchung kann der Arzt erkennen, ob sich nach dem Urinlassen Restharn gebildet hat. Auch die Menge des zurückgebliebenen Urins lässt sich dadurch bestimmen. Bei manchen Patienten zeigt sich auch eine Verdickung des Blasenmuskels. Erfahrene Urologen können bereits im Ultraschall erkennen, ob sich in der Harnröhre Engstellen gebildet haben.
Röntgen
Wenn die ersten Untersuchungen auf eine Harnröhrenstriktur hinweisen, wird ein Röntgenbild von der Harnröhre angefertigt. Dafür wird Kontrastmittel durch die Harnröhre bis in die Blase hineingespritzt, damit die Harnwege durch die Röntgenstrahlen sichtbar gemacht werden können. Dadurch lässt sich genau feststellen, wo die Engstelle liegt und wie lang sie ist. Eine noch genauere Methode stellt das Miktionszysturethrogramm dar. Dabei werden Blase und Harnröhre während des Wasserlassens dargestellt, so dass beispielsweise auch die Erweiterung vor der Engstelle, die durch den Rückstau entsteht, dargestellt werden können. Vor allem im Vorfeld von Operationen können solche Aufnahmen zur genaueren Planung der Harnröhren-OP nützlich sein.
Therapie
Bei einer neu aufgetretenen, durch Entzündung oder Verletzung hervorgerufenen Harnröhrenverengung, wird zunächst häufig konservativ behandelt. Der Urin wird zunächst mit einem suprapubischen Katheter (durch die Bauchdecke) abgelassen und der Patient erhält eine Antibiotika-Therapie. Wenn sich die Symptomatik jedoch innerhalb einer kurzen Zeitspanne nicht bessert, müssen weitergehende Schritte unternommen werden. Hier ist ein kurzer Überblick über die verschiedenen Behandlungsmethoden:
Bougierung (Aufdehnung der Harnröhre)
Bei der Bougierung handelt es sich um die älteste und eine sehr einfache Behandlungsmethode der Harnröhrenstriktur. Um die Harnröhre zu weiten, schiebt der Arzt ein mit Gleitmittel beschichtetes Instrument durch die Harnröhre. In manchen Fällen führen Patienten diese Behandlung auch zu Hause durch. Doch Vorsicht – die Therapie ist zwar denkbar einfach, doch eine Heilung ist durch diese Methode nicht möglich. Vielmehr entstehen durch die ständige Manipulation an der Harnröhre weitere Verletzungen der Schleimhaut, die ebenfalls vernarben und den Befund letztendlich verschlimmern. Aus diesem Grund wird die Bougierung nur in Ausnahmefällen zur kurzfristigen Linderung angewendet.
Stent
Diese Methode verspricht ebenfalls keinen Erfolg und wird kaum noch eingesetzt. Dabei wird ein röhrenförmiges Drahtgeflecht in die Harnröhre eingeführt, um sie offenzuhalten. Dieses wird jedoch schnell von Keimen besiedelt, die zu ständigen Harnwegsinfekten führen. In vielen Fällen konnte auch beobachtet werden, dass Narbengewebe auch durch die Maschen hindurchgewachsen ist.
Schlitzung (Urethrotomie)
Bei einer erstmalig auftretenden Harnröhrenstriktur, die maximal 1,5 cm beträgt, kann ein endoskopisch durchgeführter Einschnitt im Narbengewebe unter Umständen zum Erfolg führen. Die Rückfallquote liegt jedoch auch in diesen Fällen bei über 70 Prozent und steigt mit jedem Folgeeingriff. Nach dem Eingriff wird für einen Tag zur Schienung der Harnröhre ein Blasenkatheter gelegt. Insgesamt ist die Schlitzung ein kurzer und unkomplizierter Eingriff mit einer kurzen Nachbehandlungszeit. Zu beachten sind jedoch die eingeschränkten Erfolgsaussichten. Wiederholte Schlitzungen können darüber hinaus auch die Chancen auf eine erfolgreiche Harnröhrenplastik beeinträchtigen. In der Therapie von jungen Patienten sollte diesem Aspekt bei der Beratung besondere Beachtung geschenkt werden.
Harnröhrenplastik
Ist die Engstelle nur sehr kurz (unter 1,5 cm) und befindet sich im Bereich des Penisschaftes, kann der Operateur die Enden nach der Entfernung wieder miteinander vernähen (End-zu-End-Anastomose). Die Nebenwirkungen dieser Behandlung sind eine Verkrümmung des Penis und Impotenz. In der Regel sollte eine Harnröhrenplastik mit Ersatzgewebe durchgeführt werden. Als Gewebetransplantat hat sich vor allem die Mundschleimhaut des Patienten bewährt. Diese wird entweder im Rahmen der Operation großflächig aus dem Mund des Patienten gewonnen oder nach einer Zellentnahme im Vorfeld in einem Labor auf die richtige Größe gezüchtet. Dabei kann die Operationsdauer verkürzt und das Risiko von Komplikationen an der Entnahmestelle im Mund umgangen werden. Die Harnröhrenplastik hat eine vergleichsweise geringe Rückfallquote von 5 bis 20 Prozent. Dies ist im wesentlichem abhängig von der Anzahl der Voroperationen. Je mehr Voroperationen/Behandlungen der Patient hat, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit dass es zu einer Restriktur kommt. Wiederholte Harnröhrenschlitzungen oder Bougierungen sollten daher möglichst vermieden werden. Nach etwa fünf Tagen können die Patienten die Klinik verlassen.