Neben Bougierung, Urethrotomie (Schlitzung) und Urethroplastie (Harnröhrenrekonstruktion mit Gewebeersatz) existiert eine weitere häufig angewandte Behandlungsmethode für Harnröhrenverengungen mit dem schwierigen Namen End-zu-End-Anastomose. Bei diesem Eingriff wird der erkrankte Abschnitt der Harnröhre herausgeschnitten und die Enden der Harnröhre miteinander vernäht. Der Begriff Anastomose kommt aus dem griechisch-lateinischen und bedeutet „Eröffnung“, wird aber im medizinischen und botanischen Bereich eher als „Verbindung“ gebraucht. Eine End-zu-End-Verbindung kann chirurgisch bei verschiedenen anatomischen Strukturen, wie Blutgefäßen, Nerven oder Hohlorganen hergestellt werden, wie zum Beispiel wenn ein Stück Darm oder ein Gefäßabschnitt entfernt werden muss. Die entstandene Lücke wird sozusagen dadurch überbrückt, dass man die verbliebenen gesunden Enden wieder miteinander vernäht.
Was sich als raffinierte Methode anhört, funktioniert jedoch nicht bei jedem Organ gleich gut. Eine Harnröhrenstriktur kann sich über mehrere Zentimeter erstrecken und die Harnröhre selbst verläuft zum Teil durch nervlich hoch sensible und wichtige Organabschnitte, bei denen eine Manipulation erheblichen Schaden anrichten kann. Obwohl sie insgesamt eine Länge von 17 bis 20 cm hat, kann man die Harnröhre also nicht nach Belieben kürzen.
Indikationsstellung: kurzstreckige Harnröhrenstrikturen
Grundsätzlich ist eine End-zu-End-Anastomose nur bei kurzstreckigen Harnröhrenstrikturen und vorzugsweise im Bereich der bulbären Harnröhre (vordere Harnröhre im Bereich des Beckenbodens) indiziert. Dabei sollte die Striktur eine Länge von 1,5 cm nicht überschreiten: die verkürzte Harnröhre setzt nämlich nicht nur alle umgebenden Strukturen mehr oder weniger unter Spannung, sie führt bei der Erektion zu einer nach unten gerichteten Verkrümmung des Penis. Je länger der Anteil der Harnröhre ist, der entfernt werden muss, desto gravierender sind auch die potentiell daraus resultierenden Nebenwirkungen. Befindet sich die Harnröhrenenge im Bereich der penilen Harnröhre, kann diese im Zuge des Eingriffs oft nicht mehr ausreichend mobilisiert werden, um eine spannungsfreie Verbindung ohne daraus resultierende Penisverkrümmung zu schaffen.
Ablauf der Operation
Der Ablauf der Operation ähnelt im Wesentlichen einer offenen Harnröhrenplastik (Harnröhrenrekonstruktion, Urethroplastie), nur dass in diesem Fall kein Gewebeersatz benötigt wird. Allerdings gibt es einen wesentlichen Unterschied: während bei der Urethroplastie die Harnröhre in der Regel nur gespalten und ein Transplantat als sogenanntes „Onlay“ auf die Lücke aufgebracht wird, was für die umliegenden Nervenbahnen und Gefäße wesentlich schonender ist, muss bei der End-zu-End-Anastomose die komplette Harnröhre durchtrennt werden.
Risiken und Komplikationen
Durch diese Vorgehensweise entstehen zusätzliche Risiken für den Patienten. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass bei dem Eingriff wichtige Nerven verletzt werden, was dann letztendlich zu einer mehr oder minder ausgeprägten erektilen Dysfunktion führen kann. Bei der Erektion führt die verkürzte Harnröhre zu einer nach unten gerichteten Penisverkrümmung (ventrale Penisdeviation), was insbesondere bei jungen Patienten vermieden werden muss. Darüber hinaus kann in seltenen Fällen durch die kurzzeitige Unterbrechung der Blutzufuhr im Schwellkörper ein bleibendes Durchblutungsproblem entstehen, das sich ebenfalls negativ auf die Erektionsfähigkeit auswirkt.
Kontraindikationen
In manchen Fällen ist die End-zu-End-Anastomose prinzipiell kontraindiziert. Dies ist insbesondere bei Patienten nach einer Hypospadiekorrektur der Fall. Durch die vorangegangene Operation sind die anatomischen Gegebenheiten bereits verändert, so fehlen zum Beispiel wichtige Gefäßverbindungen zum Corpus cavernosum (Schwellkörper), so dass die verminderte Durchblutung des Schwellkörpers, die durch die Durchtrennung der Harnröhre entsteht, nicht mehr ausreichend kompensiert werden kann.
Überlegungen bei der Entscheidung
Bei der Entscheidung für oder wider die End-zu-End-Anastomose wird Ihr Urologe verschiedene Kriterien heranziehen. Als erstes sollte die Indikationsstellung überprüft werden, denn nur bei den richtigen Voraussetzungen, wie Strikturlänge und -lage, kann überhaupt ein Behandlungserfolg erzielt werden. Weiterhin sollte der Nutzen gegen die Risiken und Komplikationen abgewogen werden. Dabei spielt der Faktor Alter eine nicht zu vernachlässigende Rolle, da die bei der End-zu-End-Anastomose auftretenden Komplikationen für junge Patienten im besonderen Maße schwerwiegend sind. Bei jeder urologischen Aufklärung sollten Sie sich daher immer die Vor- und Nachteile mehrerer in Frage kommender Behandlungsmethoden gegenüberstellen lassen.