Die Harnröhrenbougierung ist eine Behandlungsform der Harnröhrenverengung, die relativ unkompliziert in der Durchführung ist. Dabei werden spezielle Katheter oder Metallstifte mit zunehmendem Durchmesser wiederholt in die Harnröhre eingeführt, so dass die Engstelle mechanisch aufgedehnt wird. Die Vorteile dabei sind, dass der Patient verhältnismäßig schnell eine Linderung seiner Beschwerden verspürt. Die Kosten für die Bougierung werden von den Krankenkassen übernommen. Allerdings ist der Behandlungserfolg in jedem Fall nur von kurzer Dauer, weshalb die Bougierung immer wieder vorgenommen werden muss. Warum das so ist und warum diese Therapie dennoch eine breite Anwendung findet, dieser Frage haben wir versucht, auf den Grund zu gehen.
Reizung bei der Behandlung führt zu weiterer Vernarbung
Jeder kennt Narbengewebe. Es ist nicht mit dem ursprünglichen, gesunden Gewebe vergleichbar, da es weniger elastisch und insgesamt eine gröbere Struktur aufweist. Eine Narbe auf der Haut ist in den meisten Fällen leicht erhöht oder sogar wulstig. Eine der Ursachen für die Narbenentstehung in der Harnröhre ist die Reizung der Schleimhaut, zum Beispiel durch Infektionen oder das Legen eines Dauerkatheters, da dieser durch die empfindliche Harnröhre geführt wird und diese verletzen kann. Bei einer Bougierung jedoch wird diese mechanische Reizung des Gewebes praktisch unzählige Male wiederholt – und das bei bereits vorgeschädigter und vernarbter Schleimhaut. Es lässt sich zwar zeitweise eine Aufdehnung der Engstelle erreichen, doch der Erfolg kann nur vorübergehend sein. Nicht nur dass sich die Harnröhre wieder in ihre ursprüngliche Form zurückzieht, durch die wiederholte Manipulation entsteht noch mehr Narbengewebe, das die Harnröhre weiter einschnürt. Das Resultat: eine längere Engstelle und immer häufiger auftretende Beschwerden.
Therapieansatz sehr problematisch
Trotz des anfänglichen Erfolgs muss hier deutlich gemacht werden, dass der Ansatz dieser Behandlung nicht sinnvoll ist, denn hier wird zur Therapie ein Vorgang durchgeführt, der die Beschwerden langfristig verschlimmert, da er die Ursache für weitere Vernarbung ist. Obwohl diese Methode noch sehr häufig in den urologischen Praxen Anwendung findet, ist es weder eine Heilmethode im engeren Sinne, noch kann sie das Krankheitsbild auf lange Sicht verbessern. Die wichtige Frage, die sich daraus ergibt, ist die folgende: warum wird diese Behandlung überhaupt noch durchgeführt? Auf diese Frage haben wir bisher keine Antwort finden können. Trotz zahlreicher Recherchen haben wir keine evidenzbasierten Studien finden können, die die Wirksamkeit dieser Therapie evaluiert haben.
Auch im ResearchGate, einem Netzwerk, in dem sich Forscher aus der ganzen Welt austauschen, wird die Therapie der Harnröhrenstriktur als ein „offenes“ Thema diskutiert, das noch in der Erforschung ist. Eine Überprüfung der Fachliteratur zu diesem Thema habe gezeigt, so Greg L. Shaw vom University College London, dass es kaum wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit dieser Therapien gibt[1]. Eine andere Quelle gibt an, dass mittels einer Bougierung „epitheliale Strikturen“ geheilt werden können, wohingegen „Strikturen mit spongiofibrotischer Reaktion“ rezidivieren werden[2] Dieser Information nach sollte eine Bougierung in keinem Fall bei einer narbigen Verengung angewendet werden, sondern nur bei einer Verengung durch gesundes Harnröhren-Gewebe. Aber auch in diesem Fall ist die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung, die mit Vernarbung einhergeht gegeben. Es wäre außerdem von Vorteil zu wissen, aus welchen Studien diese Erkenntnis stammt oder ob sie auf den Erfahrungswerten dieses Arztes basiert.
Warum ist die Bougierung gängige Praxis in der Urologie?
Aus diesem Grund führen wir aktuell einige Interview-Anfragen durch, um weitere Informationen zu diesem Thema zu erhalten. Vorläufig können wir also nur Vermutungen anstellen. Es scheint zunächst einmal, als würden hier wirtschaftliche und praktische Aspekte eine Rolle spielen. Die Bougierung ist eine „bewährte“ Therapiemaßnahme, die sehr einfach in einer urologischen Praxis durchgeführt werden kann, und zwar von dem Urologen, bei dem Sie sich als Patient vorgestellt haben. Darüber hinaus gehört sie zu den Leistungen, die sehr unproblematisch mit den Krankenkassen abgerechnet werden können, egal wie viele Nachfolgebehandlungen dies erfordert. Und da die Krankenkasse nur Therapiemaßnahmen bezahlt, deren Wirksamkeit nachgewiesen ist, zweifelt erst einmal niemand am Sinn und Zweck dieser Behandlung. Für beide Parteien, Arzt und Patient, stellt sich die Bougierung dar, wie eine allgemein akzeptierte und legitime Therapieform.
Dies ist jedoch weit ab von der Realität, wie sie die Patienten erleben, die auf diese Weise behandelt wurden. Sicherlich stört es den behandelnden Arzt nicht so sehr, eine Therapie so oft wie nötig zu wiederholen, jedoch ist es für jeden Betroffenen eine unhaltbare Tortur, zum Dauerpatienten zu werden und keine Aussicht auf langfristige Besserung der Symptome zu haben. Im Gegenteil – viele Patienten berichten, dass sie nicht nachvollziehen können, warum sich ihr Zustand zudem auch noch verschlechtert hat. Unsere Zielsetzung ist es daher, betroffenen Patienten eine möglichst unabhängige und neutrale Aufklärung zu bieten, die sie sonst unter Umständen nicht erhalten. Daher ist es immens hilfreich, wenn sich betroffene Patienten bei uns melden und uns ihre Sicht der Dinge schildern. Nur so können wir eine möglichst objektive Aufklärung anbieten und vielen Patienten die negativen Erlebnisse ersparen, unter denen bereits so viele von Ihnen gelitten haben. Wir freuen uns aber, Ihnen mitteilen zu können, dass bereits mehrere Kontaktaufnahmen von Angehörigen und Patienten eingegangen sind und hoffen, dass wir Ihnen bald mehr davon berichten können.
[1] Shaw, Greg L: Whether repeated endoscopic treatment, in: Ramadhian, M. Ricky: Are there any new treatments for urethral stricture? am 21.06.2014, online unter: https://www.researchgate.net/post/Are_there_any_new_treatments_for_urethral_stricture, letzter Zugriff: 18.12.2015.
[2] Manski, Dirk (2015): Urologielehrbuch.de, online unter http://www.urologielehrbuch.de/, letzter Zugriff: 18.12.2015.